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Asigs und sonigs

Potemkinsches Dorf Hamburg

15.08.2020

Sonntag kurz vor mittag
nach dem Check-out im Hotel
möchte man am Flughafen Hamburg sein Gepäck einstellen
damit man den Rest des Tages bis zum Abflug unbeschwert
die Innenstadt besichtigen kann

 

Erst forscht und fragt man den ganzen Airport ab
nach Gepäckschliessfächern
Nichts findend sucht man die Gepäckaufbewahrung auf
die aber „vorübergehend“ geschlossen hat
Einer Auskunft zu Folge wohl etwas länger
als nur vorübergehend
Covid-19 ist ja noch nicht vorbei
somit auch nicht die Kurzarbeit

 

Dann sucht man die Informationsschalter auf
wo man sich erhellende Hinweise erhofft
Der eine Schalter ist geschlossen
der andere nicht besetzt
Gar nicht

 

Immerhin gibt es Gepäckwägelchen
die aber nicht
rolltreppentauglich sind

 

Dein Freund und Helfer
die Polizei
hat einen Schalter im Airport
Die schnittigen Uniformen
mit den nicht mal so kantigen Hamburger Gesichtern darin
lassen ordentlich Hoffnung aufkeimen

 

Natürlich wussten wir längst
dass Fuhlsbüttel bloss ein
Provinzflughafen ist, aber wir lassen
den Polizisten ausreden
Ein anderer meinte, er tue seit 40 Jahren Dienst hier
aber von Gepäckschliessfächern hier
hätte er noch nie etwas gehört

 

Die Dame im Bunde gibt uns den rettenden
wenn auch schockierenden Tipp
dass in Hamburg wohl nur
am Hauptbahnhof
Schliessfächer vorhanden seien
Luftlinie neuneinhalb Kilometer

 

Ich hole Luft aber unterdrücke einen Ärgeranfall
Sie kann ja echt nichts dafür
dass ich so dumme Sachen frage
in einer Weltstadt
welche Gepäck am liebsten digitalisiert aufbewahren möchte
Sie ist freundlich
und hilft. Die Polizei

 

Also karren wir das Gepäck mit der S-Bahn
zum Hauptbahnhof
Achten Sie beim Ausstieg auf den Zwischenraum zwischen
Zug und Bahnsteigkante
Immerhin so modern ist der HVV, dass er
jede Haltestelle individuell ansagt
Kann man nicht meckern

 

Die Schliessfächer am Anfang des Bahnhofs
sind alle belegt
Hätte ich drauf wetten können
Weitere gibt es in der Mitte und bei Gleis 13
Gut, das schaffen wir
Aber es ist nichts da
Hamburg baut und vielleicht haben wir
das alles nicht richtig mitbekommen
Hin zum Informationsschalter

 

Ein anderer Touri lässt sich den Weg
mindestens viermal detailliert erklären
welchen Bus er nehmen muss, welche Farbe der hat
und wo er hält
wie umgestiegen werden muss
Dann sagt die geduldige Schalterdame
Am anderen Ende der Halle
sind die Schliessfächer

 

Kein Problem
so eine Halle eines Hauptbahnhofs mit Gepäck
in voller Zuglänge
zwar den Geleisen entlang
aber doch ohne Wägelchen
Meine Eltern damals hatten es bedeutend schwerer
schliesslich waren wir damals noch klein und
quängelten in einem fort
dazu diverse schwere Koffer und
uns im Schlepptau
So arg war es heute ja nicht

 

Fach 1471 war frei und kostete bloss 6 Euro
Nur schon der Name der Währung
erinnert an Diktatur
Auf dem Rückweg abends zum Flughafen
sollten wir einfach dort
das Gepäck nicht vergessen
Haben wir auch nicht und fuhren dann
mit der S-Bahn nach Fuhlsbüttel
Ohne Umsteigen

 

Dort ausgestiegen, krallten wir uns 1 von 1
Gepäckwägelchen, welches nicht die
Rolltreppen hochkommt
Gut: Schlaue Hamburger haben auf
dem Bahnsteig zwei Fahrstühle (schweizerisch: Lifte) eingebaut
Der eine funktionierte nicht und war auch
schon lange so angeschrieben
Der andere funktionierte auch nicht
war aber nicht angeschrieben
Pech für alle Rollstuhlfahrer
Gepäckwägelchen wieder zurück und alles
von Hand hochgebuckelt

 

Man könnte noch was schreiben über
die Gepäckwaagen (mit 2 a) beim Check-In
hochmodern, sensibel wie
ein Mannsbild mit Schnupfen
aber hochnichtfunktionierend
Oder borstige Getränkeautomaten am Gate
die zwar Geld nehmen
aber keinen Output liefern

 

Aber das muss man nicht

 

Man könnte auch was loslassen über den Sinn
einer Elbphilharmonie und deren lustige Baukosten
vor deren Kulisse doch einige
Obdachlose auf der Strasse schlafen
oder betteln

 

Aber auch das muss man nicht

 

Denn die Hamburger Pfeffersäcke und
ihre Farbenbrüder
die Erbauer der Welt können
mit ihrem eigenen fremden Geld
mit den Touris
und den Bedürftigen
das machen, was man andernorts
in der Provinz auch macht

 

Geschicke leiten
geschickt oder ungeschickt.

 

___

 Update 30. August 2020: Link

 
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